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West-Gitarren aus dem Fernen Osten
IBANETZ
in der DDR
Von Keith Richards stammt die
durchaus plausible Vermutung, dass Rock´n´Roll und Pop-Kultur
mehr zum Untergang des sowjetischen Imperiums beigetragen haben als das
Wettrüsten und der ganze Kalte Krieg zusammen. Der Rockvirus war
immun gegen den Eisernen Vorhang und die Jugendlichen im Osten ließen
sich nur zu gern von dem anstecken, was sie heimlich im West-Radio hörten
und später im Fernsehen zu sehen bekamen.
Wie überall auf der Welt
löste die ersten Beatbands mit ihrem Sound und ihrem schrillen Outfit
schwere ästhetische Irritationen bei der Erwachsenengeneration aus.
Die DDR-Führung vermutete hinter dieser Mode anfangs jedoch weit
mehr: einen von Geheimdiensten gezielt gesteuerten Angriff der westlichen
Massenmedien auf die staatliche Ordnung und ihre Ideologie!
Der "real existierende"
Musikmarkt
Erst Ende der 1960er Jahren setzte man in der DDR staatlicherseits auf
eine "eigene" Rockmusikszene. Beim einzigen großen internationalen
Jugendfestival in der DDR, den Weltfestspielen in Berlin (1973), sollte
den Zehntausenden ausländischen Besuchern natürlich mehr geboten
werden als nur Folklore und die politischen Lieder der staatsnahen Singe-Bewegung.
Den Bands wurden plötzlich Auftrittsmöglichkeiten in den Medien
eingeräumt, die ersten Langspielplatten erschienen.
Das Verhältnis zwischen Bands und Staat aber blieb gespannt. Auftritte
wurden überwacht (Liedermacher Kurt Demmler: „...einer ist
immer dabei!"), Texte wurden zensiert und um als Amateurmusiker oder
Profi auftreten zu können, bedurfte es einer staatlichen Spiel-Erlaubnis.
Diese "Pappe" legte die Einstufung fest, d. h. die Höhe
der von allen Veranstaltern einheitlich zu zahlenden Gage, und wurde bei
Missverhalten kassiert, so dass die betroffenen Künstler nur noch
in nicht-öffentlichen Veranstaltungen in Kirchen oder Studentenclubs
auftreten konnten. Selbst regionale Bands, wie z. B. Rock Virus aus Ludwigslust,
waren Opfer aufwändiger Stasi-Intrigen: Nachdem der Versuch, sie
mit unkorrekten Abrechnungen oder der Nichteinhaltung des 60:40-Verhältnisses
(Bands und DJ´s sollten höchstens 40% West-Titel spielen!)
fehlgeschlagen waren, wurden die Musiker und Techniker der Band bewusst
zeitlich versetzt zum Wehrdienst eingezogen, um so die Band zu splitten.
Zum Glück ohne Erfolg, denn sie rocken noch immer kerngesund!
Diese alltägliche Gängelung führte zu einem ständigen
Katz-und-Maus-Spiel um die Beachtung politischer Tabus, das vielen Künstlern
zwar Inspiration beim Songschreiben war und auch die Glaubwürdigkeit
bei den Fans sicherte, dem sie sich aber nach der Biermann-Ausbürgerung
1976 immer häufiger durch Flucht oder Ausreise in den Westen entzogen.
Wozu West-Gitarren aus Fern-Ost?
Eine andere Facette des Rockmusiker-Daseins in der DDR bestand in der
Schwierigkeit, an das notwendige moderne Equipment heranzukommen. Akkordeons,
Blasinstrumente, Saiten- und Zupfinstrumente wurden im Musikwinkel des
Erzgebirges in großer Zahl und guter Qualität hergestellt.
Der dünn gesäte Fachhandel bot diese Erzeugnisse aus Klingenthal
und Markneukirchen zu moderaten Preisen an, doch Equipment für die
seit den 1960er Jahren entstandene Rock-, Pop- und Folkszene war jedoch
aus heimischer oder RGW-Produktion (Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe,
vergleichbar mit der EG) kaum zu bekommen. Besonders Gitarren waren nur
„unter dem Ladentresen" erhältlich, Zubehör wie Saiten,
Effektgeräte oder Cases gab es fast gar nicht, heimische Verstärker
und E-Gitarren kamen erst kurz vor dem Ende der DDR in messbaren Stückzahlen
in die Läden. Allerdings waren diese Stratocaster- und Jazz-Bass-Kopien
wegen ihres klobigen Handlings verpönt. Ein gewisses Prestige hatten
allenfalls einige handgefertigte Jazz- und Akustikgitarren aus kleinen
privaten Familienbetrieben (z. B. Lederer).
So hatten die West-Gitarren
in der DDR nicht nur aufgrund ihrer Qualität, sondern auch wegen
ihrer Unerreichbarkeit einen uneinholbaren Nimbus. Die großen amerikanischen
Markennamen waren jedem Gitarrenanfänger geläufig, auch wenn
die Vielzahl der einzelnen Modelle und die z. T. erheblichen Preisunterschiede
meist unbekannt waren. Nach Fender und Gibson war Ibanez sicher die bekannteste
und am weitesten verbreite „West“-Gitarrenmarke in der DDR:
Anfangs wegen ihrer guten und preiswerten Kopien der amerikanischer Gitarren,
später auch wegen ihrer Eigenentwicklungen, wie z.B. Artist, Musician
oder Roadstar.
Wie kamen die West-Gitarren
in den Osten?
Die wohl angenehmste Art und Weise an sein professionelles Handwerkzeug
zu gelangen, bestand darin, einfach ein paar gut dotierte Gigs im Westen
zu absolvieren, um die spielend erworbenen DM gleich an Ort und Stelle
im reichlich bestückten Fachhandel auf den Kopf zu hauen. Uwe Hassbecker
von Silly ist dieses höchst seltene Glück als 17-jährigem
(!) Mitglied der Uschi-Brüning-Band tatsächlich widerfahren
- eine Ibanez Les Paul Custom 2650CS war seine Beute. Der Kreis der Bands,
die diese Möglichkeit hatten, blieb bis zum 9. November 1989 allerdings
im wahrsten Sinne des Wortes begrenzt. Übrigens bestand für
DDR-Künstler, die im Westen touren durften, ein ganz besonderer Zwangsumtausch:
Sie mussten bei ihrer Rückkehr die Hälfte ihrer oft nicht sehr
üppigen DM-Gage in Mark der DDR zurücktauschen!
Die meisten Instrumente und
Zubehörteile sind vermutlich von einer lieben Omi oder dem West-Onkel
als Geschenk in den Osten mitgebracht worden. Problematisch war es jedoch,
dem spendablen, aber technisch meist unbedarften Verwandten zu verklickern,
welcher Artikel aus dem großen Angebot denn konkret gewünscht
war. Prospekte oder gar Preislisten standen kaum zur Verfügung, preiswerte
Alternativen zu dem erträumten Markenartikel waren nur wenigen bekannt.
Die dritte Möglichkeit bestand darin, einen erfolgreichen Musikerkollegen,
der in den Westen fahren durfte, zu bitten, das Gewünschte mitzubringen.
Dafür war jedoch Westgeld nötig, das teuer auf dem Schwarzmarkt
eingetauscht werden musste. In den späten 1970er Jahren stand der
Kurs noch bei 1:4, Ende der 1980er z. T. schon bei 1:10. Die Anschaffung
einer 800-DM-Mittelklassegitarre konnte so durchaus ein durchschnittliches
DDR-Jahreseinkommen verschlingen!
Allerdings gehörten die professionellen und auch semiprofessionellen
Rockmusiker und Liedermacher in der DDR zu den "Besserverdienenden".
Und: Fantasie-Preise für gesuchte Konsumgüter, zu denen z. B.
auch uralte Trabis zählten, waren durchaus normal.
Die vierte, unspektakuläre
Möglichkeit bestand darin, das Gesuchte einem Musikerkollegen für
Mark der DDR gebraucht abzukaufen. Wie hoch der Anteil an Westgitarren
im Osten war, erfahren wir vom Chef der DDR-Zollverwaltung, der 1973 klagte,
"dass etwa 80 bis 90 Prozent aller durch Combos und Kapellen der
DDR verwendeten elektronischen Musikinstrumente westlicher Herkunft, d.
h. illegal eingeführt worden sind." Dies änderte sich geringfügig,
als in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre im Süden von Ostberlin
ein kleinen Musik-Intershop eröffnet wurde, in dem für D-Mark
mancher Musiker-Traum erfüllt werden konnte.
Sammelleidenschaft
In der DDR der späten Siebziger war Ibanez für viele fast so
etwas wie das Synonym für "Westgitarre" und entsprechend
heiß begehrt. Nur wenige Spitzenbands besaßen die amerikanischen
Originale und auch sie hatten zu Beginn ihrer Karriere fast ausnahmslos
Ibanez-Kopien gespielt, wie meine Recherchen zur "Ibanez Guitar Stories"-Ausstellung
ergab. Die riesige Ibanez-Produktvielfalt war weitestgehend unbekannt,
da uns Prospekte oder Musikermagazine nicht zur Verfügung standen.
Aber im Kollegenkreis gab es schon damals ein paar Strats, Teles sowie
einen Rickenbacker-4001-Nachbau von Ibanez.
Auch meine erste "West-Gitarre" war eine Ibanez: eine Akustikgitarre
aus der Concord-Serie, Modellnummer 647, Baujahr 1975. Die 647 ist eine
recht häufig verkaufte Kopie einer Fender King Flat Top aus dem Jahr
1969: Eine Dreadnought mit einer Stratocaster-Kopfplatte - für mich
damals einfach ein Traum! Ich war Student der Uni Rostock und kaufte die
Concord gebraucht für 2000,- M der DDR von einem ungarischen Kommilitonen,
eine Menge Geld für damalige Verhältnisse, denn das Monatsgehalt
eines jungen Diplom-Ingenieurs lag bei 700,- M. Dennoch, ich war glücklich
und sie hat mich auf hunderten Gigs von mit meiner Band Canguru begleitet,
ich habe viele Songs auf ihr geschrieben und spiele sie heute noch.
Nach dem Fall der Mauer kam die deutsche Wiedervereinigung und mit ihr
die D-Mark. Der in der DDR entstandene Heißhunger auf Produkte der
großen amerikanischen und englischen Hersteller wurde exzessiv ausgelebt,
Markengläubigkeit war erste Bürgerpflicht! Später, 1996,
suchte ich aus Anlass der Gründung unserer Familienband Borstis Rache
für meinen Sohn eine Anfänger-Bassgitarre. Von einem Kollegen
kaufte ich eine gebrauchte Jazz Bass-Kopie von Ibanez, Modell 2365B ohne
Seriennummer, auf dem sich später Noel Redding, der legendäre
Bassist der Jimi Hendrix Experience, mit seinem Autogramm verewigt hat!
So entstand die Idee, Ibanez-Kopien der klassischen amerikanischen Rock-
und Folk-Instrumente zu sammeln. Zu fast jedem dieser Gitarrenmodelle
hatte und habe ich Assoziationen und Erinnerungen: an einen Gitarrenhelden,
eine Platte oder an ein denkwürdiges Konzert. Als ich 1997 im Hamburger
Thomas Weilbier Nr.1 Music Park eine modifizierte SG, Modellnummer 2354S
ohne Seriennummer erstand, war meine Sammlerleidenschaft endgültig
geweckt. Ich wollte möglichst viele verschiedene Gitarrenklassiker
mit dem alten Ibanez-Logo auf der Kopfplatte!
IBANEZ Firmengeschichte
Hinter dem klangvollen Markennamen Ibanez steht das japanische Unternehmen
Hoshino Gakki Co., LTD, das u. a. auch Tama-Schlagzeuge herstellt. Es
wurde 1908 von Matsujiro Hoshino in Nagoya, ca. 300 km südlich von
Tokio, erst als Buchhandel begründet, der bereits ab 1909 jedoch
auch Musikinstrumente vertrieb. 1921 begann man mit dem Import europäischer
und amerikanischer Musikinstrumente und Ende der 1920er Jahre, auf dem
Höhepunkt eines Konzertgitarren-Booms in Japan, entschloss man sich,
Gitarren unter einem eigenen Label in Japan produzieren zu lassen. 1929
erschien der spanische Name Ibanez Salvadol erstmals auf Konzert-Gitarren.
Während des 2. Weltkrieges wurden alle Produktionsstätten zerstört.
Erst 1950 wagte Hoshino den Neuanfang. In den frühen 1960er Jahren
begann die Zusammenarbeit mit der amerikanischen Elger Company, die als
eine der ersten preiswerte japanische Musikinstrumente auf den amerikanischen
Markt brachte, ungefähr ab 1967 auch die ersten von Ibanez. Seit
1961 arbeitet Hoshino auch erfolgreich mit dem deutschen Vertrieb Roland
Meinl Musikinstrumente GmbH & Co. aus Neustadt a. d. Aisch zusammen,
der bis heute den Ibanez-Vertrieb inne hat. Bis auf die Tama-Akustikgitarren-Manufaktur
besaß Hoshino nie eigene Produktionsstätten in Japan. Die Instrumente
wurden im Auftrag von den großen Fabriken Fuji Gen Gakki, Kasuga,
Chu Sin Gakki u. a. produziert, die auch Instrumente für andere japanische
und später amerikanische Marken herstellten. Heute werden Ibanez-Gitarren
an verschiedenen Standorten in Japan, Korea, Indonesien und China produziert.
Faithful Reproductions
Nach einer Reihe von aus heutiger Sicht oft skurril anmutender E-Gitarrendesigns
konzentrierte sich Hoshino ab ca. 1968/69 darauf, möglichst exakte
Kopien populärer amerikanischer Gitarren produzieren zu lassen. Verkaufsleiter
Mike Shimada, seit über 28 Jahren in der Firma, erinnert sich: "Wir
wollten Ibanez als erfolgreiche Marke etablieren, das aber war nicht einfach.
Wir mussten uns danach richten, was der Markt verlangt. Also bemühten
wir uns, die besten Kopien herzustellen. "
Man brachte vor allem Nachbauten der Akustikgitarren der Marken Martin,
Gibson und Guild sowie der E-Gitarren von Gibson, Fender und Rickenbacker,
aber auch einige Exoten, auf den Markt. Zu den ersten Instrumenten dieser
Phase zählen eine Stratocaster-Adaption mit zwei (!) P90-artigen
Singlecoils mit der Modellnummer 2020, sowie ein baugleicher Jazz-Bass-Versuch
(2030). Bemerkenswert an diesen frühen Instrumenten ist, dass das
alte Ibanez-Logo in der runden "Spaghetti“-Schrift als geprägtes
Blechschild auf die Kopfplatte genagelt(!) wurde. Auffällig waren
auch die noch recht freien Kopien der Dan-Armstrong/Ampeg-Plexiglas-Gitarre
2364 und des dazugehörigen Basses 2364B.
Jeff Hasselberger
Maßgeblich verantwortlich für die Ibanez-Produktpolitik der
Jahre 1973 bis 82 war der früherer Elger-Mitarbeiter Jeff Hasselberger.
Unter seiner Anleitung wurde fast die gesamte Bandbreite der Klassiker
des modernen amerikanischen Gitarrenbaus kopiert: Akustische Dreadnoughts
und Jumbos, sämtliche historische und auch die damals aktuellen Teles,
Strats, Les Pauls, SGs, Explorer, Flying Vs, L5S, L6S, Fender-, Gibson-,
Höfner- und Rickenbacker-Bässe, Jazzgitarren aller Art, selbst
Mandolinen- und Banjo-Repliken finden sich in den Prospekten jener Zeit.
Sogar die von Gibson vermutlich nie (oder doch 19 mal?) produzierte E-Gitarre
Moderne gibt es als äußerst rare Ibanez 2369! Hoshino ging
auch dazu über, einzelne Modelle zu veredeln, z. B. die mit aufwändigen
Schnitzereien am Body und Kopf versehenen Artwood-Strats 2408-1 bis 3,
die erstmals 1974 in Kleinstserie erschienen. 1975 war der Prospekt auf
ca. 85 E-Gitarren und Bässe, darunter allein 20 verschiedene Les-Paul-Modelle
(unterschiedliche Farben nicht mitgezählt!), angewachsen.
Ab 1976 enthält der Ibanez-Katalog zudem eine riesige Auswahl an
Ersatzteilen, Zubehör, Effektgeräten, Verstärkern und Mikrofonen.
Vorgestellt werden hier auch frühe Artist-Modelle (erstmals 1974)
und die von dem japanischen Hersteller Greco entwickelten Iceman-Vorläufer.
Der Vollständigkeit halber erwähnt werden muss die preiswertere
Hoshino-Marke Cimar, die einen auf die wesentlichen Modelle reduzierten
Katalog anbot, sowie die Edelmarke Tama, die erstklassige handgearbeitete
Akustikgitarren anbot. Wegen der sehr hohen Preise - das Spitzenmodell
3563 kostete damals bereits DM 1495,- – blieben die Verkaufserfolge
jedoch recht gering und die Produktion wurde bald wieder eingestellt.
Der Legende nach soll Hoshino mit den Tama-Akustikgitarren, die die Vorläufer
der Ibanez Artwood-Serie waren, nur einmal richtig Geld verdient haben:
beim Verkauf der Tonholzbestände!
Eine eigene Erfolgsgeschichte sind die seit der Mitte der 1970er Jahre
weltweit sehr populären Ibanez-Effektgeräte. Weitgehend vergessen
sind hingegen die Transistoramps von Randall, Stage Master und Cimar.
Hasselberger vermittelte auch eine Reihe bedeutender Gitarristen als Ibanez-Endorser,
u. a. Paul Stanley von Kiss, Bob Weir von Grateful Dead und Georg Benson.
Sogar die grandiosen Brachial-Popper The Slade, eigentlich als Gibson
SG-Spieler bekannt, warben für die Rocket Roll 2387 genannte Ibanez
Flying V. Und auch Albert Lee, in den 1970ern Mitglied der Emmylou Harris
Hot Band, posierte lange Zeit mit einer Ibanez-Mandoline.
Zahlenspiele
Während der Kopierphase waren Ibanez-Instrumente fast durchgängig
mit Modellnummern bezeichnet. Echte Namen bekamen einzelne Highlights
des Programms erst ab ca. 1975, wie z. B. die berühmte Custom Agent
Scroll Les Paul 2405, der Black Eagle Jazz Bass 2609B oder die Destroyer
Explorer 2359.
Seriennummern erhielten Ibanez-Instrumente erst ab1975. Sie bestanden
anfangs aus einem großen Buchstaben und einer sechsstelligen Zahl.
Der Buchstabe bezeichnete den Monat und die ersten beiden Ziffern das
Jahr der Herstellung. Die Nummer D 773509 steht demnach für eine
im April 1977 hergestellte Gitarre, die vier letzten Ziffern sind die
laufende Nummer der in dem jeweiligen Monat hergestellten Instrumente.
Bei den Akustikgitarren der Concord-Serie, deren Seriennummer am Halsstock
aufgestempelt ist, fehlte 1975 noch der Buchstabe. Die Datierung der früheren
Baujahre ist einigermaßen sicher anhand leichter Variationen des
Logos bzw. der Made in Japan-Prägung und anhand der verwendeten Hardware
möglich. Richtig knifflig wird die Sache allerdings bei den sehr
frühen Kopien, die ganz ohne Ibanez-Logo ausgeliefert wurden!
Neben der enormen Bandbreite des Angebotes war sicher das insgesamt sehr
gute Preis/Leistungsverhältnis Voraussetzung für den großen
Markterfolg von Ibanez. Dabei war "preiswert" (ca. ein bis zwei
Drittel der Preise der Originale) nicht immer mit "billig" gleichzusetzen:
Die Listenpreise einer Les-Paul-Kopie bewegten sich z. B. 1976 zwischen
DM 638,- für eine schwarze Custom 2350 mit geschraubtem Hals und
DM 1090,- für eine Custom 2650 mit geleimtem Hals. Eine einfache
Konzertgitarre 2851 war für DM 324,- zu haben, die Concord-Akustikgitarren
kosteten zwischen DM 375,- und 800,-. Eine handgearbeitete Mandoline wie
die 524CW stand mit immerhin DM 1250,- zu Buche. Die Jazzgitarren bewegten
sich zwischen DM 800,- und 1490,-. Absolute Spitze war im November 1976
das Doppelhalsmodell 2670, für das sagenhafte DM 3300,- aufgerufen
wurden. Die erhebliche Preisdifferenz zu den kopierten Originalen hatte
ihre Ursache nicht nur in den unterschiedlichen Lohnniveaus in Japan und
den USA. Denn während die äußere Erscheinung der Originalinstrumente
von Ibanez meist sehr genau kopiert wurde, gab es zumindest bei den preiswerten
Modellen sowohl bei den Tonhölzern als auch bei der verwendeten Hardware
merkliche Qualitätsunterschiede. Dafür war die Verarbeitungsqualität,
gerade auch im Vergleich zu den Marktführern, in der Regel sehr gut.
Die Ähnlichkeit der Instrumente war so groß, dass 1977 in einer
Anzeige eines großen Musikgeschäftes Ibanez-Instrumente statt
der beworbenen Gibsons abgebildet waren.
Nicht nur für Preis- und Baujahr-Recherchen empfehle ich einen Blick
auf die großartige Homepage www.ibanez-vintage-page.de von Hasy
Neuenschwander aus der Schweiz und Harry Kruisselbrink aus den Niederlanden.
Hier gibt es eine fast vollständige Kollektion der Prospekte mit
den dazugehörigen Preislisten und Vielzahl weiterer Infos über
Ibanez-Kopien amerikanischer Instrumente. Interessant ist auch ein Blick
in die alten Jahrgänge des verblichenen Musikermagazins Fachblatt,
in dem der junge Gitarrist von Satin Whale, Dieter Roesberg („Der
deutsche Joe Walsh“!), seine Journalisten-Karriere mit einem Test
über eine...ja genau, über eine Ibanez Les Paul 2342 begann.
Kritisch und ausgewogen wurden die Stärken und Schwächen der
Originale und der Kopien (auch anderer Marken aus Japan wie z. B. Aria,
Sigma, Yairi, Tokai, Goya, Morris, Pearl, Cortez und Takamine) gegenübergestellt
und mancher Marken-Aberglaube entzaubert.
Lawsuit - ein Prozess ohne
Urteil
Immer wieder wird der berühmte Lawsuit (engl., Rechtsstreit) zwischen
Gibson und Ibanez bemüht, wenn es um alte Ibanez-Instrumente geht.
Dabei eignet sich diese für den internationalen Musikalienhandel
sicher wichtige Zäsur keineswegs für die Bestimmung der Qualität
eines Ibanez-Instrumentes, wie das vielleicht im Falle Fender beim Besitzerwechsel
zu CBS zutrifft. Der entscheidende Unterschied zwischen den Instrumenten
des 1975er pre-Lawsuit-Kataloges zu denen des Jahres 1976 besteht allein
in der nach dem Vorbild der Guild-Kopfplatte veränderten Form des
Headstocks bei den Gibson-Kopien. Maßgebliche Veränderungen
der sonstigen Form, der technischen Ausstattung oder gar der Verarbeitungsqualität
finden sich nicht. Vielmehr waren einige Bauteile wie die Pickups und
Mechaniken bei den sehr frühen Kopien manchmal von eher bescheidener
Qualität und wurden zum Leidwesen der heutigen Sammler entsprechend
oft ausgewechselt. Bei den Kopien anderer Marken oder bei den Gibson-Instrumenten
mit einer anderen als der typischen Les Paul/SG-Kopfplatte gab es überhaupt
keine Veränderungen. Fender-Kopien z. B. wurden bis 1978, zuletzt
in der sehr guten Silver-Series, unverändert weitergebaut.
Die historischen Abläufe des Rechtstreits sind heute nur schwer zu
rekonstruieren. Hier eine kurze Zusammenfassung, die sich an die Darstellung
aus dem leider vergriffenen Buch "Guitar Stories. The Histories of
Cool Guitars" (ISBN 1-884883-03-6) von Michael Wright anlehnt und
die von Hoshino-Mitarbeitern als zutreffend bestätigt wird: Die Ibanez-Kopien
verkauften sich Mitte der 1970er Jahre in den USA und in Europa sehr gut,
denn sie waren deutlich preisgünstiger als die Originale. Norlin,
der Mutterkonzern der Traditionsmarke Gibson, war ziemlich verärgert
über diesen Erfolg und drohte Elger, der amerikanischen Vertretung
von Hoshino, mit einer Klage. Man entschloss sich, die Form der Kopfplatte
als schützenswertes Detail zum Gegenstand der Auseinandersetzung
zu machen, weil der Headstock als markeneigenes Design einen hohen Wiedererkennungswert
besitzt. Im Juni 1977 wurde ein Verfahren eröffnet. Im Kern ging
es um die Frage, wie weit markenrechtlicher Schutz beim Kopieren von Gitarrendesigns
besteht und auf welche Bauteile er sich bezieht. Norlin beabsichtigte,
eine gerichtliche Verfügung gegen Hoshino zu erwirken. Diese sollte
während der Musik Messe von Atlanta 1977 wirksam werden und verhindern,
dass die Ibanez-Gitarren mit Gibson-Kopfplatten gezeigt werden konnten.
Aber: Seit 1976 arbeitete Jeff Hasselberger sowieso schon an eigenen Designs.
Diese neuen Ibanez-Gitarren waren bereits für Atlanta eingeplant,
so dass 1977 gar keine Gibson-Kopien konfisziert werden konnten. Der Schlag,
zu dem Norlin ausgeholt hatte, traf also ins Leere. Hätte Norlin
ein Jahr früher prozessiert, hätte das für Ibanez jedoch
in einem Desaster enden können. So wurde Anfang 1978 der Streit mit
einem außergerichtlichen Vergleich beigelegt. Ibanez sicherte zu,
zukünftig auf das Kopieren von Gibson-Modellen zu verzichten. Noch
einmal Mike Shimada: „Letztendlich war das alles gut für uns.
Mit dem Rechtsstreit gaben sie uns den Anstoß, vorwärts zu
gehen und zu begreifen, dass wir unsere eigenen Produkte entwickeln mussten.“
So wurde aus einer für Hoshino im ersten Moment sicher unangenehmen
Situation ein positiver Impuls, ohne den es Ibanez in der heutigen Form
sicher nicht geben würde.
Soweit ein kleiner Einstieg
in die bunte Vintage-Ibanez-Welt aus der Sicht des Wilden Ostens. Danke
an Dr. Kathrin Möller vom Technischen Landesmuseum in Schwerin für
die Mithilfe! Über Reaktionen, Hinweise und neue Kontakte würde
ich mich freuen.
Ibanez als nie!
Euer Pingo Schlüter
pingo@vintage-ibanez-museum.de
Dipl.-Ingenieur Pingo Schlüter,
geboren 21.01.1960, ist verheiratet mit Rockerbraut Eike (voc), zwei Rocker-Söhnen
(Nils, git, bass, voc und Ron, dr, git, voc) und spielt seit seinem 18.
Lebensjahr Gitarre, Mandoline und Bouzouki. Von 1982 bis 1996 tätig
in der Folkrock-Band Canguru, von 1991 bis heute in der Coverband Strafsache
Dr. Schlüter und von 1996 bis 2002 in der Familienband Borstis Rache.
Pingo Schlüter hat die Sonderausstellung Ibanez - Guitar Stories,
die vom 15. Mai bis zum 10. August 2003 in Kooperation mit dem Technischen
Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern e.V. in der Landeshauptstadt Schwerin
gezeigt wurde, organisiert. Bilder dieser bemerkenswerten Ausstellung
sowie weitere Ibanez-Infos und -Links gibt es unter Schlüters Internetseite
www.vintage-ibanez-museum.de.
Bildunterschriften, falls Ihr
das dpa-Foto mit dabei haben wollt:
"Gitarren statt Knarren"
- eine Ibanez für Honecker
Erich Honecker erhielt im September 1987 während seines ersten Staatsbesuches
in der Bundesrepublik in Wuppertal diese von der Fa. Meinl Musikinstrumente
GmbH zur Verfügung gestellte Ibanez "Saber" von Udo Lindenberg.
Die - laut Lindenberg - "nicht ganz billige Gitarre" ist schon
das zweite Geschenk des Rockmusikers an den DDR-Politiker. Zuvor hatte
Lindenberg seine Lederjacke verschenkt, woraufhin sich der sonst so zugeknöpfte
Honecker mit einer Schalmei bedankte: "Lieber Udo Lindenberg, mit
der Übersendung der Lederjacke haben Sie mir eine Überraschung
bereitet, für die ich Ihnen danke. Natürlich ist das Äußere
Geschmacksache, aber was die Jacke betrifft - sie passt." Die Lederjacke
ist heute viel bewundertes Exponat des Kulturhistorischen Museums Rostock.
Schalmei und Ibanez sind leider nicht mehr auffindbar. Über eine
spätere Karriere Honeckers als Gitarrist ist nichts bekannt.
DIESEN FOLGENDEN ABSATZ HABE
ICH KOMPLETT RAUSGENOMMEN, ER TAUCHT AUSZUGSWEISE IN DEINER VORSTELLUNG
AUF
VINTAGE IBANEZ MUSEUM
Das VINTAGE IBANEZ MUSEUM ist mein Hobby und ein langfristiges Vorhaben,
denn im Moment
habe ich nur begrenzte zeitliche und räumlichen Möglichkeiten,
meine Ibanez-Sammlung museal zu präsentieren. Deshalb war die Sonderausstellung
"IBANEZ - Guitar Stories", die ich vom 15. Mai bis zum 10.August
2003 in Kooperation mit dem Technischen Landesmuseum Mecklenburg-Vorpommern
e.V. in der Landeshauptstadt Schwerin zeigen konnte, ein großartiger
Zwischenschritt zur geplanten Dauerausstellung. Gezeigt wurden nicht nur
175 Ibanez-Instrumente, darunter auch viele von namhaften Künstlern,
die die Spanne von den späten Sechzigern bis zu den Messeneuheiten
2003 abbildeten. Auch einige Cimar und Tama sowie zahlreiche Effektgeräte,
Originalersatzteile, Zubehör, Prospekte, Werbematerialien und Preislisten
waren zu sehen. Diese umfangreiche Darstellung von 35 Jahren Ibanez Rock´n´Roll
Equipment war nur möglich durch die zahlreiche Leihgaben, die Herr
Reinhold Meinl dankenswerterweise aus seiner Privatsammlung zur Verfügung
stellte! Bilder der Ausstellung sowie weitere Ibanez-Infos und Links gibt
es unter www.vintage-ibanez-museum.de.
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